Rezension: "To Sell is Human" von Daniel H. Pink
“To sell is human”… echt jetzt?
Ich habe mir den New York Times Bestseller genauer angesehen und für euch "auseinander genommen", um die wichtigsten Tipps heraus zu filtern. Damit mir Mr. Pink keinen Bären aufbindet, habe ich mit Patrick Meier einen echten Vertriebsprofi gebeten, diese Tipps zu überprüfen - und seine eigene Erfahrung beizusteuern.
Das Buch wirbt (erfolgreich) mit dem Untertitel: „Die überraschende Wahrheit über die Kunst der Überredung, Überzeugungund des Beeinflussens von anderen“. Damit, um mit einer ansehnlichen Typografie auf dem Cover, die gelungen mit der Farbe Pink und damit dem Nachnamen des Autors spielt. Ich mag solche kleinen, subtilen Kniffe.
Das Buch basiert auf der Annahme, dass quasi jeder von uns im Vertrieb arbeitet. Wobei Pink zu Beginn Vertrieb sehr weit definiert. Im Gegensatz zum Allgemeingültigen Klischee (=Gebrauchtwagenhändler), fasst er den Begriff Vertrieb als etwas auf, dass wir tun um andere dazu zu bewegen, sich von etwas wertigem zu trennen. Im klassischen Fall ist das Geld. Ebenso zählen dazu aber auch Aufmerksamkeit und Zeit. Beispiel: ein guter Lehrer "verkauft" seinen Schülern, dass sie bei ihm die wichtigsten Inhalte überhaupt lernen - und daher lohnt es sich für sie, ihn mit ihrer Arbeit, Aufmerksamkeit und Zeit zu "bezahlen".
Wenn man diesen Begriff so weit fasst, wie es Pink tut, fällt es leicht seine Theorie zu belegen, dass wir quasi alle im Sales arbeiten. Er führt dazu eine Reihe von renommierten und einigen selbst durchgeführten Studien auf, um diese Theorie zu belegen, wobei er sich beinahe exklusiv auf amerikanische Daten stützt und im weiteren Verlauf des Buches auch nur Beispiele aus den USA - dem Mutterland des Vertriebs - aufführt. Über die Validität dieser Theorie lässt sich streiten.
Aber er hat erkennt und zeigt auf, dass der Trend in der Arbeitswelt weg vom klassischen Angestellten hin zum Enterpreneur führt. Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine Form der Selbstständigkeit, sei es als Lebensberater, als Powerseller auf ebay oder als Hersteller von Gewürzgurken. Pink führt mit Recht an, dass diese Selbstständigkeit dazu führt, dass ein Berater zunächst verkaufen muss, bevor er beraten kann. Seine Ware? Er selbst. Sein Unternehmen? Er selbst? Und damit muss der Unternehmer auch alle Funktionen ausfüllen, die sonst von Spezialisten erfüllt werden. Von der Positionierung über das Marketing, zum Vertrieb und anschließenden Kundenbindung nebst leidiger Buchhaltung - der Unternehmer des 21. Jahrhunderts ist der Mikrokosmos eines Unternehmens. Dank des Internets.
Eben dieses Internet hat aber auch dazu geführt, dass der Wissensnachteil über ein Produkt nun nicht mehr beim potentiellen Käufer liegt, sondern dank Google und Bewertungsforen der Verkäufer oft auf einen bestens vorbereiteten Käufer trifft, der im Zweifel sogar mehr über die Details des Produktes weiß, als er selbst. Der Verkäufer kann nicht mehr wie früher auf ein Wissensmonopol bauen und diese Macht ausnutzen. Kluge Verkäufer wissen das und streben eine Partnerschaft auf Augenhöhe an.
Was macht einen guten Verkäufer aus?
Weder die Introvertierten noch die Extrovertierten sind die besten Verkäufer, sondern die Menschen in der Mitte, mit einem gesunden Verständnis wann und wie oft ein Kunde angesprochen werden sollte. Laut Pink bezahlt sich Mittelmäßigkeit in diesem Fall also aus.
Gute Verkäufer sind Spiegel ihres Gegenübers: sie imitieren die Körpersprache des Kunden und versuchen sich in seine Position zu versetzen. Dazu bedarf es Empathie und guter Beobachtungsgabe.
PROFI*-TIPP: "Es sollte aber nie dazu führen, dass sich der Kunde nachgeäfft fühlt, auch hier ist die Mitte ein gutes Maß."
Zum Ende seines Buches versucht Pink, mit einigen gängigen, aber in seinen Augen kontraproduktiven Vertriebsphilosphien aufzuräumen:
Pink regt dazu an, die weit verbreitete Praxis des "Upselling" in "Upserving" umzudeuten. Verkaufe, aber sorge damit für einen größeren Kundenvorteil, als es dein Gegenüber erwartet hat.
Überdenke leistungsbezogene Boni. Den wenn ein großer Teil meines Gehalts nur dann bezahlt wird, wenn ich verkaufe, warum sollte ich dann meinem Kollegen helfen? Warum sollte die langfristige Zufriedenheit meines Kunden in meinem Interesse liegen?
PROFI*-TIPP: Leistungsbezogene Boni sind das Salz in der Suppe für eine Verkäufer, aber mache ihn zu einem Teamverkäufer, in dem du ihm einen Bonus für seine Leistung zahlst und eine für das Team. So wird aus dem Einzelkämpfer ein Teamplayer.
Jeder Verkäufer - und das ist in Pinks Augen jeder, der etwas von einem Gegenüber haben möchte - sollte sich 2 Fragen vor dem Pitch stellen:
Wenn dein Gegenüber deinem Angebot zustimmt, wird es sein Leben verbessern?
Wenn die Interaktion vorbei ist, wird die Welt ein klein wenig besser sein als zuvor?
Diese beiden Fragen sind natürlich erneut sehr naiv, sehr amerikanisch. Aber Amerikaner sind nicht ohne Grund mit die besten Geschichtenerzähler, weil es ihnen oft gelingt, ein komplexes Problem auf eine einfache, leicht verständliche Aussage zu abstrahieren. Und ich höre nur den Menschen zu, die ich verstehe. Und naive Fragen mögen kindisch erscheinen, bringen es aber auf den Punkt.
Das perfekte Verkaufsgespräch
Gibt es nicht. Aber mit diesen Tipps erhöhst du die Wahrscheinlichkeit für einen erfolgreichen Abschluss.
Finde Gemeinsamkeiten in einem Gespräch mit potentiellen Kunden
Anstatt stupider Selbstmotivation ("Ich bin der beste Verkäufer auf dem Planeten") macht man es wie Bob der Baumeister und fragt sich: "Können wir es reparieren?". Die offene Frage wirkt inspirierender und ehrlicher, weil sie Raum für Zweifel lässt. "Kann ich mein Gegenüber davon überzeugen, mir eine halbe Stunde lang aufmerksam zuzuhören?" oder "Kann ich meinen Sohn davon überzeugen, heute pünktlich ins Bett zu gehen?"
Eine positive Attitüde hilft ungemein. Sowohl zur Überzeugung des Kunden als auch zur Stärkung des eigenen Selbstbewusstseins bei Ablehnungen. Rückschläge gibt es immer. Aber man sollte sie nie als persönlich, universell oder fortwährend ansehen.
Versuche nicht, das Problem des Kunden zu lösen. Versuche stattdessen, das richtige Problem zu definieren - idealerweise im Dialog mit dem Kunden. Ein guter Verkäufer gibt nicht mehr (wie früher) gute Antworten, sondern stellt die richtigen Fragen. Die beste Frage wird vermutlich sein: "…verglichen mit was?"
Ebenso sinnvoll kann die Frage nach dem "warum" sein? Wenn man sie 5mal direkt nacheinander stellt, hat man 2 Dinge erreicht:
a) der Gesprächspartner ist genervt.
b) man ist dem ursprünglichen Problem sehr wahrscheinlich auf dem Grund gekommen
Biete eine Auswahl an Optionen an, aber beschränke diese Auswahl ("less is more")
Erlebnisse sind uns wichtiger als Dinge. Emotionalisiere!
Liste all die positiven Eigenschaften deines Produktes auf - und nenne dann auch einige (wenige!) negative Details. Es ist nicht nur ehrlicher, der Kontrast hebt auch die positiven Eigenschaften auf einen höheren Level
Potential ist immer interessanter als vergangene Ergebnisse. Fokussiere die Argumentation auf die Zukunft und lade den Kunden ein, das Potential zu entdecken.
Sag dem Kunden EXAKT was er tun soll, wenn er gekauft hat
Überrasche den Kunden, indem du eine überraschende, scheinbar irrationale Frage stellst: "Auf einer Skala von 1 bis 10, wie wahrscheinlich ist es, dass du tust, was ich will?" Und nachdem er die Antwort gegeben hat, die aller Wahrscheinlichkeit nach nicht 0 war, fragst du: "Warum nicht eine kleinere Zahl?" Der Kunde wird sich selbst Argumente liefern, warum er das Produkt kaufen sollte. Und aus einem Nein wird ein Vielleicht.
Im Prinzip gelten diese Regeln nicht nur für ein klassisches Verkaufsgespräch sein. Genauso gut eine Diskussion mit dem Lebensabschnittsgefährten oder dem nervigen Nachbar.
Das Verkäufer-Mindset
Laut Daniel Pink ist jeder von uns ein Verkäufer, der versucht andere Menschen zu etwas zu bewegen (z.B. Geld ausgeben, Zeit investieren, Zuhören etc.). Dazu bedarf es der richtigen Einstellung eines Verkäufers zu seinem Produkt und zu seinen Kunden.
Dafür stellt er 2 Regeln auf:
1. Make it personal: als Verkäufer musst du hinter deinem Produkt stehen. Du bist dafür verantwortlich, dass der Kunde zufrieden ist. Sollte er das nicht sein, muss der Kunde wissen, dass du alles in deiner Macht stehende tust, um seine Zufriedenheit herzustellen. Denn sowohl Verkäufer als auch Käufer sind Menschen und natürlich ist ein Pitch immer persönlich. Empathie ist das Stichwort. Um es auf den Punkt zu bringen hilft dieser Vergleich: kümmere dich um jeden Kunden, als wäre er deine Großmutter. Und um es auf die Spitze zu treiben (und das ist mein persönlicher Favorit, den sich jeder Dienstleister hinter die Ohren schreiben sollte) "behandle jeden Kunden, als wäre er deine Großmutter und nimm an, deine Großmutter hat 80.000 Twitter-Follower".
Profi*-Tipp: "Nur so kann es gehen, du musst den Kunden wertschätzen."
1.Make it purposeful: meines Erachtens ein sehr amerikanischer und naiver Ansatz, der davon ausgeht, dass alles, was wir tun, dazu beitragen kann die Welt zu verbessern. Und sei es nur im Kleinen. Aber der Gedanke ist nicht verkehrt: in dem Moment, in dem man als Verkäufer dazu beiträgt, die Welt des Kunden mit seinem Produkt oder Service anzureichern, sollte es auch immer einer höheren Sache dienen. Und sei es - im Falle des Vorwerk-Verkäufers - der häuslichen Hygiene und damit der Gesundheit von Familien.
FAZIT
Der Titel “To Sell Is Human” ist irreführend. Verkaufen ist per se nicht menschlich - aber alle Menschen verkaufen. Und als Menschen können wir lernen, besser zu verkaufen. Und dieses Buch kann dabei helfen, denn es ist ein kleiner, feiner Werkzeugkasten. Mit einem schönen Cover. Du kannst es hier kaufen: http://amzn.to/2lPI2CZ
*Unser Profi: Patrick Meier ist nicht nur leidenschaftlicher Blogger sondern auch Verkäufer von Digital Media und südafrikanischem Wein. Mehr Infos zu ihm auf XING.