Tomas Herzberger

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Welche Rolle spielt Digital Storytelling im Marketing?

Ein Interview von Christoph Fröschl

Welche Relevanz hat aus Ihrer Sicht Digital Storytelling im Marketing für Unternehmen und Marken, bezogen auf die Imagewahrnehmung?

Prinzipiell würde ich sagen, die Kurzantwort ist: Eine gute Wirkung.

Logischerweise bin ich ja ein Verfechter davon Geschichten zu erzählen. Vor dem Hintergrund, dass „Geschichten erzählen“ etwas ist, das uns als Menschen seit Jahrtausenden verbindet und wie es mehrere Studien ja auch belegt haben, wie man es in diversen Büchern nachlesen kann, wirklich Teil unserer DNA ist.

Weil wir einfach empathische Wesen sind und in der Lage sind das Leid, wie auch die Freude also sprich die Emotionen von Probanden einer Geschichte nachvollziehen zu können. Und wir als Menschen insgesamt sind ja soziale Herdentiere. Wir haben es immer schon verstanden uns zu Gruppen zu formieren.

Und da hat das „Geschichten erzählen“ natürlich schon immer von jeher eine ganz wichtige Rolle gespielt. Wenn es darum geht Informationen weiterzutragen, Kulturen herauszubilden und eben diese Gemeinschaftsgefühle zu schaffen.

Wie wichtig ist Digital Storytelling bzgl. der Konsumenten/innenbindung?

In jeder Stufe des Marketings kann es quasi bei der Kundenreise eine wichtige Rolle spielen, nicht nur bei der Konsumentenbindung.

Es geht natürlich damit los, dass ich durch das Storytelling auch auf mich aufmerksam mache. Weil einfach die Leute ja jetzt so viel Werbung um die Ohren geschlagen bekommen, wie noch nie zuvor, tendenziell etwas empfänglicher sind für Geschichten anstatt blanker Werbung, wo ich einfach mit Features und Preisen um mich schlage.

Sondern in der Regel ist es für das Gehirn eine Erholung, wenn es mal eine Geschichte lesen kann - auch wenn es mal länger dauert bis es auf den Punkt kommt.

Das heißt es macht Sinn, um auf mich aufmerksam zu machen, in der frühen Phase der Kundenreise, aber natürlich bindet es auch durch die Emotionen, die dadurch damit hoffentlich verbunden sind.

Wir gehen mal davon aus, dass es eine gute Geschichte ist, die ich erzähle, dann trägt es natürlich auch zur Kundenbindung bei. Genauso wie, wenn ich ein guter Geschichten-Erzähler bin, ich auch unbedingt Punkt vor meinen Freunden stehe, vor meiner Gesellschaft stehe, wenn ich eine gute Geschichte zum Abendessen erzähle und genauso dass gute Geschichten nach wie vor so gefragt sind wie nie.

Aber wenn man sich den Wachstum der Streamingdienste wie Netflix oder Disney Plus ansieht, da entscheiden natürlich die Qualität der Geschichten darüber ob sie erfolgreich sind oder nicht.

Glauben Sie, dass Digital Storytelling, wie also es gibt so berühmte Videospots wie von der Sparkasse, oder Nike macht immer sehr professionelle Videospots. Kann das auch die Wahrnehmung bzw. die Imagewahrnehmung von Konsumenten/innen verändern?

Ja, ja sehr sehr stark. Das ist glaube ich das allerwichtigste. Edeka hat einen großen Sprung gemacht. Edeka ist eine Supermarktkette und die haben ganz, ganz stark auf das Storytelling-Element in ihren Clips gesetzt. Gerade online oder auch sogar gerade im TV und das hat dadurch dazu geführt, dass die Marke viel, viel positiver wahrgenommen wird. Und für einen Supermarkt auch nicht einfach, sich als Arbeitgebermarke positiv darzustellen.

Was glauben Sie, wie sieht die Zukunft des Marketings aussehen – braucht es in Zukunft für Unternehmen mehr Geschichten bzw. bessere oder intensivere Geschichten und müssen diese gekoppelt an Erlebnisse sein? Reicht es aus eine gute Geschichte zu erzählen oder muss man den Kunden mehr bieten, wenn man jetzt auch bedenkt, welche Technologien es momentan gibt wie Augmented Reality?

“Die Zukunft des Marketings” ist ein flexibler Begriff. Die Zukunft ist in einer Minute, die Zukunft ist morgen ist in einem Jahr, in zehn Jahren. Sie fängt irgendwie an und man weiß nicht wann es genau los geht und wann sie genau aufhört.

Andersrum - ich würde sagen Storytelling wird immer funktionieren.

Es gibt natürlich verschiedene Methoden und Formate, wie ich meine Geschichten erzählen kann. Ich Digital Storytelling 2005 in den USA studiert.

Damals ging es los mit Second Life. Second Life, also die erste digitale Plattform, wo ich mich mit einem Avatar bewegt habe und mit andern Leuten einfach interagieren konnte. Also ein bisschen wie World of Warcraft aber ohne „Orcs“.

Damals war das ein riesen Thema. Insbesondere für die akademischen Welten war es ein riesen Thema, wie die Leute miteinander interagieren, wenn sie eben eine “Maske” aufhaben und mit einem Synonym bzw. Avatar miteinander interagiere. Das war damals noch was ganz, ganz neues. Interaktive Geschichte wie ich sie in Computerspielen erzähle, ist natürlich auch eine Art Storytelling.

Technisch hat sich seitdem sehr viel geändert. Aber im Prinzip ist es egal. Aber es hängt nicht davon ab, wie toll die Grafiken sind, wie schnell der Rechner ist, wie gut die Animationen sind oder ob ich eine Augmented-Reality Brille vor den Augen habe oder nicht.

Es entscheidet in der Regel immer, die Story. Die Story ist das entscheidende.

Auch schon vor 10 Jahren, vor 20 Jahren wurden mit geringeren technischen Möglichkeit wurden hervorragende Geschichten entwickelt. Es liegt keinesfalls an der Technik.

Und es geht auch nicht um die Länge: tolle Kurzgeschichten sind oft nur ein paar Zeilen lang. Und die können schon eine sehr, sehr starke Geschichte erzählen und ganz starke Emotionen aufrufen.

Darum geht es ja letztendlich: dass ich durch eine Geschichte, egal wie lange sie ist, egal in welchem Format sie ist, Emotionen hervorrufe.

Sei es Freude, Trauer oder Mitleid oder sonst irgendwas.

Diese Emotionen hervorzurufen - darum geht es ja beim „Geschichten erzählen“. Da ist es egal ob es digital ist oder analog. Digitales Storytelling ist auch „nur“ Storytelling und ein anderer Kanal.

Gibt es ein Geheimrezept, was Marketer/innen in der Zukunft machen können um Unternehmen und Marken dabei zu unterstützen, Storys digital erfolgreich zu erzählen? Also was braucht es? Gibt es irgendwie so ein Rezept dafür?

Storytelling und texten können. Und da schließe ich mich selbst mit ein.

Also Michael und ich, wir machen ja diesen Workshop gemeinsam. Er macht viel Storytelling, ich mach viel digital. Michael Maathias ist ein alter Hase im Texten. Der hat das jetzt seit Jahrzenten gemacht und macht jetzt viele Seminare dazu und es ist unglaublich, da hab ich einen hohen Respekt davor, wie es diese Menschen schaffen wenige Worte so zu formen, dass es den Kopf, das Herz und den Bauch trifft und alle drei sagen: „Mhm ja, stimmt, ist richtig“.

Was Marketer angeht, denen würde es nicht, da schließ ich mich selbst mit ein, nicht schaden das immer wieder mal zu versuchen und zu üben.

Schreiben und „Geschichten erzählen“ ist prinzipiell einfach, wenn ich mehr Raum habe. Mehr Platz habe. Genau wie jetzt meine Antwort entsprechend lange ist. Die vermutlich in einer Kurzversion besser ist, aber ich komme gerade nicht drauf.

Wenn ich mich hinsetze und sage „Lieber Kunde, pass mal auf! Ich möchte dir da mal eine Geschichte erzählen“ als wenn ich dir sage „Unser Auto kostet 20% weniger, kann aber 20% schneller fahren“

Und dieser Positionswechsel, das ist das entscheidende.

Also zum einen ist es die Kapazität, das Know How: Kann ich Geschichten erzählen? Kann ich schreiben?

Man muss die Rolle eines Geschichtenerzählers einnehmen anstatt einfach draufloszuschreiben. Man sollte sich nicht fragen: “Was kann unser Produkt?”, sondern: „welche Geschichte könnte ich denn erzählen und welche Gefühle löse ich damit bei meinen Lesern bei meinen Rezipienten halt aus“

Momentan gibt es ja auch schon Unternehmen, die anhand der Mimik Gefühle von Menschen interpretieren können und auch lesen können. Das wird auch schon eingesetzt. Also Unternehmen können Videos senden, die Videos werden analysiert und es wird dann zielgerichtet auf eine gewisse Zielgruppe ausgerichtet. Könnte so die Zukunft des Marketings aussehen? Dass die Analyse der Zielgruppen durch KI stattfindet und dass dann Angebote auf die Emotionen der Zielgruppe ausgelegt werden?

Ja und nein. Also was Facebook und Google machen, das ist bereits Machine Learning. Anzeigen werden Menschen basierend auf ihren Interessen, auf ihren Like und Shares oder ihren Suchanfragen.

Auf der andern Seite: Was der Mensch den Maschinen voraus hat und auch noch einige Zeit voraus haben wird, ist Intuition und Empathie. Und natürlich kann man die Struktur jeder Story analysieren: Es gibt einen Helden, eine Heldenreise, etc. Und diese Struktur können Maschinen lernen.

Aber zu wissen, wie einzelne Elemente funktionieren, welches Hintergrundwissen der Zuschauer oder der Leser hat, das weiß die Maschine vielleicht nicht.

Beispielsweise würden wir jetzt, wo wir alle unter Corona leiden, ganz anders auf einen Film reagieren wie z.B. Outbreak, als vor fünf Monaten.

Wenn wir uns in der aktuellen Lage Filme ansehen und Menschen fallen sich in die Arme, geben sich zur Begrüßung die Hand oder stehen in Menschenmassen. Dabei denke ich mir: „Boah sieht komisch aus!“

Das macht ja die Story nicht schlechter aber der Kontext ist halt auf einmal ein ganz anderer. Und dieser Kontext ist halt immer sehr individuell – der ist bei Ihnen anders, bei mir anders und bei dritten wieder anders. Das kann die Maschine nicht wissen oder daraus die richtigen Schlüsse ziehen.

Und daher glaube ich, dass „Geschichten erzählen“ eine der wenigen Dinge ist, wo ich sage, da werden es Algorithmen schwer haben.