Tomas Herzberger

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4 Gründe, warum sich der DMEXCO-Besuch nicht lohnt

Oettinger (hier rechts im Bild. Aber NICHT der Kerl mit der Europa-Mappe. Sondern mit der Virtual Reality Brille auf dem Kopf. Quelle: dmexco.de)

Günther Oettinger wurde aus Versehen und ohne jedes Zutun seinerseits zum EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft. Die wenigsten Dinge, die er von sich gibt, basieren auf plausiblen Annahmen, geschweige denn Tatsachen, wie diese Stilblüten zu seiner digitalen "Kompetenz" verdeutlichen.

Aber auf der DMEXCO hat er im Rahmen der Eröffnungs-Keynote etwas sehr Wahres gesagt: “Köln kann kein Verkehr.”

Recht hat er. Ausnahmsweise. 

1. Grund: Köln

Wer wie ich das Pech hatte und sich ins Abenteuer des Kölner Stadtverkehrs stürzen musste (so wie alle Messebesucher und -Aussteller, die nicht direkt in Köln wohnen), musste viel Zeit und Geduld mitbringen.

Taxis? Gab es keine. Wer nicht 12h vorher ein Taxi reserviert hatte, musste warten. Und zwar nicht nur ein paar Minuten, sondern bis zu einer halben Stunde. Es gibt einfach nicht genügend Taxis in Köln, um mit einer Messe wie der DMEXCO klarzukommen.

Ich gehe noch einen Schritt weiter als Oettinger: Köln kann keine Messe!

Klar, auf die weltweit größte Spielemesse Gamescom kommen mit 345.000 Besucher deutlich mehr als zur DMEXCO. Aber ein Großteil davon sind nun mal - und hier stimmt das Klischee einfach - Teenager, die nicht mit dem Taxi fahren. Geschweige denn, im Hotel übernachten.

Apropos!

Wer sein Hotelzimmer nicht 9 Monate vorher reserviert hat, sollte ein gutes Verhältnis zu den Mitarbeitern in der Reisekostenstelle pflegen. Denn Übernachten Köln wird dann richtig, richtig teuer. Sofern man überhaupt noch ein Zimmer bekommt, kostet dieses dann sehr schnell jenseits von 500,- EUR. Und das für maximal 3 Sterne.

Ich komme aus Frankfurt, eigentlich haben unsere Hotels Wucherpreise während Großveranstaltungen erfunden… aber Köln ist vollkommen durchgedreht. Getreu dem rheinischen Motto "es hätt noch immer jot jegange."

Bodenständige Marketeers wie ich fahren ja auch gerne mal mit ÖPNV. Aber auch das ist während der DMEXCO keine so richtig gute Idee. Zum Einen ist die Beschilderung in den Bahnhöfen mies: dutzende Blicke von bärtigen Jeans-Sacko-Turnschuh-Menschen in fragen “wo gehts hier zur Messe?”.

Die richtige Bahn zu finden, ist das eine. Man muss aber noch ein Ticket ziehen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich die Kollegen der Kölner Verkehrbetriebe grüßen, die es für unnötig erachten, mehr als einen einzigen Ticketschalter am Deutzer Bahnhof zu betreiben.

Wie bitte, man kann die Tickets in der Bahn kaufen? Ok. Aber dazu muss man in die Bahn reinkommen. Was angesichts der Menschen- und Rollimassen schwierig ist. Sich dann in der Bahn zum Fahrkartenschalter durchzumogeln, ist unmöglich.

Außerdem gibt es keine direkten Anschluss zum Eingangstor. Was sich normalerweise durch einen kleinen Fussweg vom Bahnhof Köln Deutz verschmerzen lässt. Wenn es aber - wie in diesem Jahr geschehen - aus Kübeln schüttet, macht das nicht so richtig Spaß.

Die ewig langen Warteschlangen an den Garderoben werde ich - ebenso wie die Schlammschlacht an den Bushhaltestellen - nur streifen. Denn beides ist man als treuer Messebesucher gewohnt und die DMEXCO wäre nicht die DMEXCO, wenn ich schnell, sauber und trocken auf der Messe wäre.

Obwohl da gab es dieses eine Jahr, als ich lediglich zwei Kilometer von Deutz entfernt gewohnt habe und mit dem Fahrrad bei schönstem Herbstwetter gefahren bin… das war nett.

2. Grund: die anderen Besucher

Einmal angekommen auf der Messe, geht das Chaos weiter. Manch alter Hase wird wissen, in welche Halle er gehen will. Aber alle anderen scheinen nur rumzustehen - oder mit der Geschwindigkeit junger Mütter im Ikea - umher zu schlendern. Kaum ein Durch- oder Vorbeikommen.

Und überhaupt: überall hat es Menschen! 

Welcher Vollpfosten hat die alle reingelassen?

Quelle: dmexco.de

Aber ich muss kurz mal ausholen und einen Schwenk in die Vergangenheit machen: Früher, als sowieso alles besser war, galt die DMEXCO nicht zu Unrecht als “Klassentreffen” der digitalen Branche. Keine Elite, aber doch eine verschworene Gruppe Eingeweihter.

Menschen, die sich für zwei Tage nicht ständig gegenüber ihren Kollegen aus den klassischen Medien rechtfertigen oder verstecken mussten. Man war unter einander, man kannte und mochte sich. Himmel hilf, man konnte sogar spontan auf einen Stand gehen und sich in aller Ruhe über die neuesten Bannerformate oder Targetingmöglichkeiten austauschen. Einfach so. Menschlich wie fachlich war es ein Spaß.

Heute:

über 40.000 Menschen, verteilt auf 4 Hallen. Angesichts des miserablen Wetters waren sie auch wirklich alle gleichzeitig DRINNEN, was nicht gerade zuträglich für das Mikroklima in den Hallen war. Ein spontaner Plausch? Ohne Terminvereinbarung Wochen vorher unmöglich.

Warum tun sich das so viele Menschen an?

3. Grund: die Branche

Entgegen den Erwartungen hat es auf dem deutschen Digitalmarkt noch nicht die große Marktkonsolidierung gegeben. Zwar wurden gerade in jüngster Vergangenheit viele Unternehmen aus dem Markt gedrängt oder aufgekauft.

Kleine Anekdote: ausgerechnet Ströer Digital Media, der neue Branchenprimus,  hatte keinen eigenen Stand. Warum auch? Mit Interactive Media und der OMS waren zwei der eigenen Unternehmen bereits präsent.

Aber sehr oft gibt es neue StartUps, die gerne ein Stück des Werbemarkt-Kuchens haben wollen. Und dieser Kuchen ist nich nur groß, er wächst nach wie vor jedes Jahr:

Quelle: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/165473/umfrage/umsatzentwicklung-von-onlinewerbung-seit-2005/

Die technische Entwicklung der Facebooks dieser Welt wird zu einem nicht unerheblichen Teil durch die Bedürfnisse des Online-Werbemarkts befeuert. Im Klartext: jedes Jahr wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben.

Erst waren es Display Ads (der geliebte Werbebanner) auf schicken Umfeldplatzierungen.

Dann kam Targeting, also die gezielte Ansprache ausgewählter Nutzersegmente.

Gefolgt von Video Advertising.

Mobile Advertising.

Mobile Video Advertising.

Dann Programmatic Buying, das ebay der Werbeindustrie.

Dieses Jahr war das Zauberwort “Content Marketing” - und mit etwas Glück wird es das Ende des Banners einläuten.

Warum ich das begrüßen würde? Kannst du mir sagen, auf welchen Banner du zuletzt geklickt hast? Eben!

Aber der Banner wird nicht sterben, denn keine Werbeform wird eine andere gänzlich ersetzen, ebenso wie kein Medium ein anderes vollständig vom Markt drängt - es kommt lediglich zu einer Erweiterung der Möglichkeiten. Und das ist auch er Grund dafür, warum die DMEXCO inzwischen so unübersichtlich geworden ist: es gibt mittlerweile so viele Themen im Umfeld der digitalen Werbung, dass es selbst Experten unheimlich schwer fällt den Überblick zu bewahren. Geschweige denn sich mit jedem Thema wirklich auszukennen.

Wir müssen uns verabschieden, von DER Digital Advertising Branche zu sprechen. Denn dazu ist die Gruppe inzwischen viel zu heterogen.

Deswegen gibt es immer mehr Aussteller, mehr Seminare, Vorträge, Diskussionen… und immer mehr Besucher. Es wird nicht mehr lange dauern, und ein Branchenzweig wird sich abspalten und auf der DMEXCO nicht mehr präsent sein.

Nicht, dass es nicht bereits für Alles und Jeden eine eigene Konferenz geben würde - aber nicht ohne Grund gibt es eine IAA für PKW und eine komplett unterschiedliche Veranstaltung für Nutzfahrzeuge.

Die DMEXCO entwickelt sich immer mehr zu einer Publikumsmesse - und das tut der Veranstaltung nicht gut.

Wenn schon Günther Oettinger zur Messe kommt, sollte das ein Warnsignal sein!

4. Grund: Incentives

Früher gab es wenigstens noch Werbegeschenke, die zwar keiner gebraucht hat, aber jeder haben wollte. Wie die Tickets für die "After-Messe" Partys...  

So, ferdisch. Jetzt entschuldigt mich. Ich suche noch ein bezahlbares Hotel für September 2016... aus Gründen.


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